Die Stadt Dessau-Roßlau und die Stiftung Bauhaus feiern 2025/26 das Jubiläum 100 Jahre Bauhaus mit einem umfangreichen Festprogramm. Thematische Schwerpunkte werden dabei nicht nur der politisch bedingte Umzug der Bauhäusler aus Weimar nach Dessau und die Eröffnung des Dessauer Bauhauses bilden, sondern auch für die für die damalige Zeit bahnbrechenden Baumaterialien wie Ziegel, Beton/Zement, Eisen/Stahl sowie Aluminium und Glas.
Die brau.ART wird im Rahmen einer 14-tägigen kuratierten Ausstellung einen Spannungsbogen zur Thematik Baustoffe herstellen, indem sie sich künstlerisch mit dem Thema kunst:stoff auseinandersetzt. Es sollen künstlerische Positionen aus den Sparten Bildende Kunst und Design gefunden und gezeigt werden, die einerseits die stoffliche Komponente des Begriffes aufgreifen, aber auch solche, die das Thema auf ganz individuelle, vielleicht auch konträre Weise auslegen. Nach Möglichkeit soll die Ausstellung ein breites Spektrum aus Arbeiten der Malerei, Grafik und Design, Fotografie, aber insbesondere auch Installationen, Video- und digitale Kunst umfassen.
Erste Gedanken zum Thema von Dieter Bankert 
(Architekt und Künstler, Mitglied im brau.ART e. V.)
Im sechzehnten Jahr unseres „gemeinnützigen" brau.ART-Lebens und Überlebens haben wir die hintergründige Verknüpfung von Kunst und Stoff gewählt. Das Kompositum spielt mit den verschiedenen Bedeutungen von Stoff und insbesondere mit dem Begriff von Kunststoff als Gegensatz zum Naturstoff. Kunst steht in vielerlei Beziehung zur Stofflichkeit. Als Kunstwerk ist es sichtbar, hörbar, lesbar, fühlbar..., ebenso wie alles andere, was unsere Sinne und Geräte erreicht. Aber es hat eine Materie+Geist - Eigenschaft. Es beschreibt sich selber, ist Stoff (Inhalt) seines Stoffes.
Stoff
A
~ Materie, Material, Substanz
~ chemisches Element (auch speziell bei H, C, N, 0)
~ Gewebe
~ "Stoff" (Aufputschmittel, Droge)
~ Baustoff, Brennstoff. Erdstoff, Ersatzstoff, Farbstoff, Feinstoff, Grundstoff, Klebstoff, Kunststoff (ehern., Plastik, Plaste), Reizstoff, Rohstoff, Schaumstoff, Sprengstoff, Süßstoff, Treibstoff, Werkstoff, Wertstoff, Wirkstoff, Zündstoff...
B
~ gedanklicher Inhalt (Gesprächsstoff, Thema)
AB
~kunst:stoff (Thema bei der brau.ART 2025)
Stoff und Form
Das Wort "Stoff" bezeichnet in der materiellen Welt alles Existierende. Das Wort "Stoff" bedeutet in der geistigen Welt alles Denkbare und schließt paradoxerweise das Unstoffliche nicht aus. Diese Verknüpfung ist für uns selbstverständlich: in den Religionen, den Wissenschaften, in Politik und Wirtschaft, im ganzen Leben.
Stoff bedeutet also sowohl materielle Existenz als auch geistige Bearbeitung. Stoff ist in der Religion der Glaube an eine widerspruchsfreie Einordnung des Menschen in die Unendlichkeit, in der Wissenschaft die Suche nach den Wahrheiten des Seins, in Politik und Wirtschaft die Optimierung des Daseins, im Leben Gewinn und Erhaltung des Selbstbewusstseins. Und in der Kunst bietet alles Vorgenannte den Stoff - nicht alles auf einmal, nicht umfassend, aber alles umfassen wollend, an irgendeiner Stelle der subjektiven Wahrnehmung anhaftend, mit Kunst-Stoff aus Wort, Bild, Ton, Tönen, Effekt, Event.
Ein Kunstwerk wirkt mit seinem Inhalt (Stoff B) als Tatsache (Stoff A). Das materielle Kunstwerk ist zugleich immateriell (Stoff AB). Es ist gleichrangig zu denken mit zweifelsfrei existierender Materie und ihren Erscheinungen. Die Doppelnotation Stoff/Inhalt und Stoff/Materie gibt dem Kunstwerk das Besondere, das mit Schöpfung zu benennen ist, ohne Religion zu werden. Das Kunstwerk bleibt auf halber Höhe, es ist Magie. Magisch für den Künstler im Prozess und beim Kunstfreund bei der Rezeption.
Rezeption
Am anderen Ufer der Kunst steht der Kunstfreund mit seiner Neugier, er findet Lust beim Betrachten, Zuhören und Nachfühlen. Er sucht das wohlgefühlte Verständnis für die Kunst. Wenn sich im Augenblick das Rätsel löst, wenn das Geheimnis gedeutet ist, dann teilt er seine Erkenntnis. Der Künstler arrangiert das Vergnügen, er lässt raten, führt in die Irre, schafft Distanz, bietet Genuss für die Sinne, klärt auf und verwirrt, erregt Widerspruch, bindet an Vergangenheit und Gegenwart, bildet Muster auf die Zukunft hin - und alles bleibt ein Gedankenspiel.